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Stationen in Ulrich Bräkers Leben: Als Kleinkind zu den Füßen seiner Mutter, im Erwachsenenalter mit seiner Ehefrau Salome und die Konfrontation mit dem Tod seines Vaters. © UB Osnabrück (8517 903 7) | B. Mönkediek (Außen); Toggenburger Museum Lichtensteig, Schweiz (Mitte).

Das Leben Ulrich Bräkers (1735-1798)

Lebenslauf Ulrich Bräkers
JahrEreignisse
1735Am 22. Dezember wird Ulrich Bräker als Sohn eines armen Kleinbauern sowie als ältestes von elf Kindern in Näppis bei Wattwil im Toggenburg/Ostschweiz geboren.
1741 bis 1754

Die Familie wohnt in Dreischlatt bei Krinau. Ab seinem achten Lebensjahr muss Ulrich Bräker bis zu hundert Ziegen hüten, sodass er im Winter nur jeweils ein paar Wochen zur Schule geht.
Bräker gibt aber an, unter der Anleitung seines Vaters viel zu lesen, vor allem religiöse Schriften wie die Bibel.

Ab 1754 verdingt er sich zudem als Tagelöhner. Dabei lernt er sowohl Salpetersieden als auch Pulvermachen.

1755Bräker wird in Schaffhausen Diener eines preußischen Werbeoffiziers, durch den er im folgenden Jahr unfreiwillig zum Soldaten im preußischen Heer wird.
1756Bräker dient als Fußsoldat zu Beginn des Siebenjährigen Krieges im preußischen Heer in Berlin, desertiert aber während der Schlacht bei Lobositz/Böhmen (1. Oktober 1756) und kehrt nach Hause zurück.
1757  bis 1759Bräker verdient sich seinen Lebensunterhalt unter anderem mit Salpetersieden und lernt dabei seine spätere Ehefrau Salome Ambühl (1735–1822) kennen, auf deren Drängen er 1759 beginnt, mit Baumwollgarn zu handeln.
1761Bräker heiratet Salome Ambühl. In Hochsteig errichtet Bräker ein Haus für die neugegründete Familie. Unter den dadurch entstehenden Schulden wird er sein Leben lang leiden.
1762Sein Vater Johannes Bräker stirbt und Bräker muss vier kleine Geschwister miternähren. Sein Sohn Johann Ulrich wird geboren.
1763Seine Tochter Susanna Barbara wird geboren.
1765Seine Tochter Anna Katharina wird geboren.
1766 bis 1767Unzufrieden mit seiner Ehe liest Bräker sehr viel, unter anderem die gesamte Berleburger Bibel, und spielt mit dem Gedanken, als Bußprediger umherzuziehen.
1767Sein Sohn Johannes wird geboren.
1768Bräker beginnt an der „Vermahnung“ zu schreiben, welche er 1771 abschließt. Daneben widmet er sich der Lektüre religiöser Schriften sowie Erdbeschreibungen, wodurch er sein Gewerbe vernachlässigt.
1769Sein Sohn Jakob wird geboren.
1770Bräker beginnt, regelmäßig Tagebuch zu schreiben.
1770 bis 1771Im Toggenburg herrschen eine Hungersnot sowie eine wirtschaftliche Krise, wodurch Bräker teilweise zum Selbstversorger wird: Er kauft eine Kuh und einige Ziegen. Seine Schuldenlast vergrößert sich weiter. 1771 wütet zudem die Rote Ruhr, der seine ältesten beiden Kinder zum Opfer fallen, während seine dritte Tochter, ebenfalls Susanna Barbara genannt, geboren wird.
1772Im Toggenburg kommt es zu einer wirtschaftlichen Erholung, von der auch Bräker kurzzeitig profitiert, obwohl er weiter unter der Schuldenlast leidet und Zuflucht in den Büchern sucht.
1773Seine Tochter Anna Maria wird geboren. Bräker beginnt, sich zunehmend auch nichtreligiöser Literatur zu widmen, und geht eine Freundschaft mit dem Wattwiler Lehrer und Schriftsteller Johann Ludwig Ambühl (1750–1800) ein. Die beiden sind nicht miteinander verwandt – trotz der Namensgleichheit mit dem Geburtsnamen Salome Bräkers.
Lebenslauf Ulrich Bräkers
Jahr        Ereignisse
1775 bis 1776Bräker widmet sich einer umfangreichen Lektüre historischer, medizinischer und aufklärerischer, aber weiterhin auch religiöser Bücher, von denen er Auszüge und Bemerkungen in seine Tagebücher mit aufnimmt. Ebenso reicht er bei einem Aufsatzwettbewerb der Moralischen Gesellschaft zu Lichtensteig zwei Abhandlungen ein, wofür er ausgezeichnet und in diese Gesellschaft aufgenommen wird. Dadurch eröffnet sich ihm der Zugang zu der Bibliothek dieser Gesellschaft, was seinen schriftstellerischen Ambitionen weiteren Antrieb verleiht. Ebenso kann er seinen Freundeskreis erweitern, was ihm aber auch Kritik und Missgunst einbringt.
1777Bräker plagen aufgrund seiner Schulden Selbstmordgedanken.
1777 bis 1780Bräker verfasst weitere Schriften wie sein „Baurengespräch über das bücherlesen und den üßerlichen gottesdienst“ oder „Die Gerichtsnacht oder was ihr wollt“ und beginnt, sich eindringlich mit Shakespeares Schauspielen auseinanderzusetzen sowie Kommentare dazu zu verfassen. Gleichzeitig kann er auch sein Geschäft ausbauen und Spinner und Weber aus den umliegenden Dörfern beschäftigen.
1781Die viele Arbeit lässt Bräker kaum Zeit für die Lektüre und das Tagebuchschreiben, dennoch beginnt er mit der Niederschrift seiner Lebensgeschichte.
1782 bis 1785Bräker unternimmt eine Lustreise nach Zürich sowie zahlreiche Wanderungen, wobei er mit Persönlichkeiten wie dem Schweizer Arzt und Schriftsteller Johann Kaspar Hirzel (1725–1803) oder dem reformierten Pfarrer, Philosophen und Schriftsteller Johann Kaspar Lavater (1741–1801) zusammentrifft.
1785 bis 1786Auf ein Krisenjahr in der Baumwollindustrie folgt ein wirtschaftlich ertragreiches Jahr mit gutem Verdienst.
1787Sein Sohn Jakob stirbt.
1788 bis 1792Ein Jahr nachdem Bräker seine „Lebensgeschichte“ sowie sein „Tagebuch“ dem örtlichen Pfarrer Imhof zur Lektüre überlassen hat, welcher diese an den Züricher Verleger Johann Heinrich Füßli (1741–1825) weitergeleitet hat, erscheint die „Lebensgeschichte“ und fällt auf positives Echo. Im Folgejahr erscheinen auch Auszüge aus seinem Tagebuch. Diese Veröffentlichungen bescheren Bräker nach eigenem Bekunden Besucher von nah und fern, weitere Reisen, dazu neue Bekannte sowie Freunde und insgesamt eine weitestgehend vergnügliche und unbeschwerte Zeit. 1791 wird Bräker in die Literarische Gesellschaft zu St. Gallen aufgenommen. Der Französischen Revolution bringt Bräker anfänglich viel Sympathie entgegen, steht ihr nach der Hinrichtung König Ludwigs XVI. sowie wegen der Phase der Terreur aber zunehmend distanzierter gegenüber.
1793 bis 1794Aufgrund der Ereignisse in Frankreich stockt der Handel und die wöchentlichen Ausgaben sind höher als die Einnahmen. Dennoch gründet Bräker mit seinem Schwiegersohn Johannes Zwicky in Lichtensteig eine Baumwolldruckfabrik.
1797Die Einfuhr englischen Maschinengarns bringt Bräkers Garnhandel zum Erliegen, wodurch dieser dem finanziellen Ruin nahe ist. Unterstützung erhält er jedoch von seinem Freund Daniel Girtanner (1733–1798), dem ehemaligen Amtsbürgermeister von St. Gallen, wodurch er sich kurzfristig über Wasser halten kann.
1798Bräker verlässt Haus und Familie und erklärt gegenüber seinen Kreditoren den Konkurs. In der Folge hält er sich bei seinen Freunden in Zürich und St. Gallen auf. Nachdem sein Sohn Johannes sich mit den Gläubigern hat einigen können, kehrt Bräker nach fünf Wochen von Krankheit gezeichnet nach Hause zurück. Sein Gesundheitszustand verschlechtert sich zusehends und am 11. September wird er in Wattwil beigesetzt.

Ausschnitt aus: Fürstabtei St. Gallen (grosse Walserkarte), Gabriel Walser, Berneck 1768. © Toggenburger Museum Lichtensteig, Schweiz.