Armut denken - Armut lenken

Drucke, Handschriften und Objekte erzählen aus der Frühen Neuzeit


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„Arme” in der Frühen Neuzeit

‚Arme’ waren in der Zeit des 18. Jahrhunderts fast ausnahmslos den Unterschichten und Randgruppen zuzuordnen. Jedoch waren diese, im Gegensatz zum heutigen Verständnis, äußerst durchlässig und in sich mit weiteren Abstufungen versehen. Die Begriffe ‚Unterschicht’ und ‚Randgruppe’ geben eher einen definitorischen Ansatz mit modernem Charakter. Dabei wird nicht mehr von der einen ‚Unterschicht’ gesprochen. Vielmehr gab es Arme in unterschiedlichen Gruppen, die die Unterschicht bildeten. Jedoch fand eine Selbstidentifikation der Armen als eine homogene Gruppe nicht statt. Dies führt zu einer relevanten Problematik: Selbstzeugnisse von als ‚arm’ geltenden Menschen haben aufgrund der Bildungssituation in der Frühen Neuzeit und der Überlieferungspraxis kaum Einfluss auf die heutige Sichtweise. Der Blickwinkel ist folglich häufig durch den theologischen Diskurs und die Perspektive zeitgenössischer Darstellungen geprägt.

Als ‚Armer’ galt in der Frühen Neuzeit jeder, dem zu geringe finanzielle Mittel zur Verfügung standen, dem der Einfluss und die Macht fehlten, um sich eine gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen. Dabei war nicht jeder Armer auch auf die Armenfürsorge angewiesen oder durfte diese in Anspruch nehmen (häufig Mitglieder der sogenannten ‚Randgruppen’). Hier wird zwischen primärer und sekundärer Armut unterschieden. Den sekundären Armen mangelte es zumeist an Gütern, die zur Teilhabe an der Gesellschaft und zur Sicherung des sozialen Status nötig gewesen wären. Bei primären Armen gab es zusätzlich noch den Mangel an notwendigen Gütern, die die Existenz sichern. Für einen sekundären Armen bestand jederzeit die Gefahr in die primäre Armut abzurutschen.

Durch die Vielzahl an unterschiedlichen Gruppen in der Unterschicht lässt sich nicht pauschal sagen, wer zur Gruppe der primären oder sekundären Armen gehörte. Der Gruppe ‚Fremde’ zuzugehören bedeutete nicht zwangsläufig, von primärer oder sekundärer Armut betroffen zu sein. Auch die Mitglieder der zweiten Randgruppe, die sogenannten ‚Zigeuner’, können nur schwer eingeordnet werden. Mitglieder dieser Gruppen konnten gar nicht von Armut betroffen sein. Es wird deutlich, dass die Definition als ‚Armer’ nicht einheitlich vorgenommen werden kann und ein Bild von dem ‚Armen’ in der Frühen Neuzeit nicht aussagekräftig wäre. Hinzu kommt eine weitere Differenzierung: Durch Missernten und andere Faktoren zogen die Menschen in die Städte, die sich daraufhin mit dem Problem einer wachsenden armen Unterschicht konfrontiert sahen. Zur Regelung dieses wachsenden Problems wurde zwischen ‚würdigen’ und ‚unwürdigen’ Armen unterschieden. Dafür wurden Kriterien entwickelt. Nur die Würdigen sollten Unterstützungsleistungen erhalten. Eine solche Leistung konnte zum Beispiel eine Armenmarke sein, die gegen Naturalien getauscht wurde.

 

 

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