Armut denken - Armut lenken

Drucke, Handschriften und Objekte erzählen aus der Frühen Neuzeit


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Fremde als Arme

Wer war ein Fremder?

Fremde in der Frühen Neuzeit genau zu erfassen, ist schwierig. Fremde können aus unterschiedlichen sozialökonomischen Schichten kommen. Ihre Wahrnehmung ist zudem sehr individuell. So neigen wir heutzutage dazu, Fremde im Rahmen der Staatsangehörigkeit zu kategorisieren. In der Frühen Neuzeit hingegen wurden schon Menschen aus anderen Kommunen als fremd empfunden. Somit war die Differenzierung von Fremden schwieriger. Zu diesem Personenkreis konnten Kaufmänner, Bettler, Händler, Pilger, Musikanten, Bauern aus dem umliegenden Land und ‚Zigeuner‘ gehören. Klare Kriterien für die Bezeichnung von Fremden gab es nicht. Außerdem wurde innerhalb dieser Gruppe hinsichtlich anderer Aspekte unterschieden. Ein Kriterium zur Differenzierung ist die Intention der Menschen, die in eine andere Stadt oder in ein anderes Stift kamen. Sie war unterschiedlich und muss in Bezug auf die Armutsfrage berücksichtigt werden. Es machte einen Unterschied, ob die Stadt lediglich zur Durchreise besucht wurde und der Aufenthalt damit nur temporär war oder ob man dort dauerhaft leben und sich eine Existenz aufbauen wollte. Durch diese Differenzierung kann versucht werden, einen Reisenden von einem Vagabunden zu unterscheiden. Vagabunden waren häufig junge Männer. Sie waren meist desertierte Soldaten, unehrliche und uneheliche Handwerksgesellen und Tagwerker, die obdachlos von Stadt zu Stadt zogen. Reisende oder auch Kaufleute kamen primär in eine Stadt, um Handel zu treiben. Sie galten zwar auch als fremd, da sie sich aufgrund von Sprache oder auch Herkunft von der hiesigen Bevölkerung unterschieden, wurden aber auf andere Weise als die Vagabunden wahrgenommen. Grundsätzlich lässt sich trotz dieser schwierigen Klassifizierung sagen, dass jeder fremd war, der nicht zu den Untertanen des jeweiligen Territorium zählte.

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Blick aufs Blatt - Verordnung Franz Arnolds, Fürstbischof von Münster, 1714.

Wie drückte sich die Armut bei Fremden aus?

Prinzipiell ist es wichtig, dass nicht jeder Fremde von Armut betroffen war. Auch das Risiko, überhaupt in Armut zu geraten, war bei den Fremden unterschiedlich hoch. Daher muss zu Beginn geklärt werden, welche Fremden überhaupt Gefahr liefen, in Armut abzurutschen. Ein wichtiges Kriterium ist hier die Nützlichkeit des Fremden. Ein fremder Handwerker mit guter Ausbildung war weniger davon bedroht, in Armut zu leben, da er hilfreich für die neue Heimat war. Kam hingegen ein Handwerker ohne nennenswerte Ausbildung in die Stadt, hatte er ein erhöhtes Risiko, Armut zu erleiden, weil er wenig nützlich für die Stadt war. Fremde Menschen trafen häufig auf Ablehnung, die sowohl aufgesellschaftlicher als auch auf rechtlicher Ebene stattfand. Diese Ablehnung führte zu einem großen Risiko, Armut zu erleiden. Sie drückte sich aber nicht nur in materieller Armut aus, weil die Betroffenen kein Geld und keine Arbeit erhielten, sondern auch in sozialer Armut, da sie gesellschaftlich ausgegrenzt wurden.

Welche Maßnahmen wurden gegen die Fremden ergriffen?

Von der örtlichen Obrigkeit wurden häufig Erlasse verabschiedet, die Maßnahmen gegen die Fremden enthielten.

In dem präsentierten Altdruck handelt es sich um einen solchen Erlass von Franz Arnold (1658–1718), Bischof zu Münster und Paderborn, vom 10. Dezember 1714. Hier wird unter anderem auch über den Umgang mit fremden Bettlern und Gesindel gesprochen. Damit sind Menschen gemeint, die in die Stadt gekommen sind, um Geld zu erhalten, damit sie nicht in die Mittellosigkeit absinken. Gleich zu Beginn steht unter dem zweiten Punkt, dass fremdes und ausländisches Gesindel nicht in der Stadt Münster geduldet werden dürfe. Ihnen dürfe auch nicht geholfen werden, indem man ihnen ein Zuhause gewährt. Sie haben nicht die gleichen Chancen, Armenfürsorge zu erhalten, wie die einheimischen Bettler. Ebenso wurde ihnen die Möglichkeit genommen, in der Gesellschaft aufzusteigen oder an politischen Prozessen zu partizipieren.

Gemeinden und Städte wehrten sich dagegen, dass Fremde bei ihnen ansässig wurden, indem sie sich beispielsweise mit Einheimischen verehelichten. Es war üblich, dass Fremde sich nur kurze Zeit in den Stiften und Städten aufhalten durften, ehe sie anschließend konsequent ausgewiesen wurden. Insbesondere nach dem Dreißigjährigen Krieg wurden zahlreiche Bettelverbote mit harten Justizmaßnahmen erlassen. Wer sich diesen Ausweisungen und Verboten nicht fügte, musste mit ernsthaften Strafen rechnen, wie Brandmarkung oder Staupenschlag.

Führten diese Maßnahmen zum Erfolg?

Diese Versuche, die vagierenden Bettler aus den Städten zu treiben, blieben erfolglos, da insbesondere größere Städte viele Möglichkeiten zum Unterschlupf boten. Die Abwehrhaltung der Obrigkeit führte dazu, dass sich eine breite Schicht sozial schwächster Menschen herausbildete, die man nur schwer in die Gesellschaft einbinden konnte. Diese in den Städten unerwünschten Fremden können als ‚unwürdige Arme‘ klassifiziert werden.