Armut denken - Armut lenken

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Blick ins Buch - Verordnung Adolf Friedrichs III., Herzog zu Mecklenburg, 1745.

Zum Hören: Ordnung Adolf Friedrichs III. (1715) - in heutiges Rechtsdeutsch übertragen und gekürzt.

Mechanismen der Stigmatisierung

Armut ist und war oft ein Anlass für Vorurteile und Ausgrenzung. Noch heute werden Bedürftige oft als ‚Sozialschmarotzer‘, ‚Hartzer‘ oder anderes beleidigt. Diese Begriffe sind Ausdruck einer Abneigung gegenüber Personen, die auf staatliche Unterstützungsleistungen angewiesen sind. Der Vorwurf, Arme seien zu faul und undiszipliniert zum Arbeiten, findet sich in vielen sozialen Schichten. Es handelt sich dabei um Klischees, die fest im gesellschaftlichen Diskurs verankert sind und im Fernsehen sowie den sozialen Medien reproduziert werden. Während die Stigmatisierung von Armen heutzutage vor allem von der Gesellschaft ausgeübt wird, waren in der Frühen Neuzeit Obrigkeiten an diesem Prozess maßgeblich beteiligt und übten die Stigmatisierung selbst aus.

Was bedeutet Stigmatisierung genau?

Ein Stigma bezeichnet ein Phänomen, bei dem Personen „Fehler, Unzulänglichkeiten [oder] Handicaps“  aufweisen, die nicht den gesellschaftlich-normativen Erwartungen entsprechen. Ihre Stigmatisierung resultiert dementsprechend aus einer Abweichung von der gesellschaftlichen Idealvorstellung in Hinblick auf körperliche und charakterliche Eigenschaften sowie der Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen. Gerade in Bezug auf die Gruppenzugehörigkeit oder den sozialen Stand können Stigmata auch weitervererbt werden. Stigmatisierung ist immer mit einem Prozess der Ausgrenzung von bestimmten Individuen oder Gruppen durch Teile der Gesellschaft verbunden. Mit Beginn der Frühen Neuzeit wurden insbesondere Arme mit verschiedenen Stigmata versehen, wodurch sich ihr gesellschaftliches Ansehen verschlechterte. Dabei hatten die Obrigkeiten die Deutungshoheit darüber, welche Armen über die Armenfürsorge Unterstützung erhielten und welche ausgegrenzt wurden. Sie schrieben die Stigmatisierung in ihren Ordnungen fest und gaben ihr damit eine obrigkeitliche Legitimation. So entstanden Stigmata, die Arme einer faulen, kriminellen und unmoralischen Lebensführung bezichtigten.

Ordnungen als Quellen für Stigmatisierung

Leitobjekt dieser Station ist eine Verordnung, die der mecklenburgische Herzog Adolf Friedrich III. (1686–1752) für sein Herrschaftsgebiet im Jahr 1715 erlassen hat. Die Quelle stellt ein Beispiel für die obrigkeitliche Stigmatisierung von Armen dar. Ordnungen wie diese geben einen Einblick in die obrigkeitlichen Vorstellungen zum Umgang mit Armen, müssen jedoch quellenkritisch betrachtet werden. Auf der einen Seite regelten sie die Normen, auf der anderen Seite dürfen sie aber nicht als Abbild der historischen Praxis verstanden werden. Die vorliegende Ordnung beispielsweise wurde erlassen, da vorangegangene Ordnungen nicht die gewünschte Wirkung erzielt hatten. Zum besseren Verständnis wurde die Ordnung gekürzt und in heutiges Rechtsdeutsch übertragen. Das Ergebnis gibt es zum Hören und zum Lesen.

Diese Station widmet sich im Folgenden der von der Obrigkeit argumentierten ‚Notwendigkeit‘ von Stigmatisierung und der den Ordnungen innewohnenden sprachlichen Diskriminierung. Abschließend werden die aus den Ordnungen resultierenden Konsequenzen beleuchtet.

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Notwendigkeit

Diskriminierende Sprache in den Ordnungen der Frühen Neuzeit

Konsequenzen