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Fahrendes Volk

© UB Osnabrück (8902-297 3) | B. Mönkediek

Blick aufs Blatt - Verordnung Franz Arnolds, Fürstbischof von Münster, 1715.

Zu Beginn dieses Abschnittes soll darauf verwiesen werden, dass wir uns ausdrücklich von dem Begriff ‚Zigeuner‘ distanzieren. Im weiteren Verlauf wird diese Gruppe als ‚fahrendes Volk‘ bezeichnet, da die beschriebene Menschengruppe anhand dieser Bezeichnung am geeignetsten zu charakterisieren ist.

Blickwinkel auf das fahrende Volk

Die Geschichte des fahrenden Volkes im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation war durch Verfolgung gekennzeichnet. Die Gründe für die Verfolgung lassen sich durch Quellen zahlreich belegen. Dennoch ist eine Betrachtung aus der Sicht der 14 Verfolgten bisher nicht möglich. Dies liegt an dem Fehlen von zeitgenössischen Schriften, da das fahrende Volk keinerlei schriftliche Zeugnisse hinterlassen hat. Das spärliche Vorliegen von Binneninformationen des fahrenden Volkes führt zu einem Verlust in der Multiperspektivität der heutigen Betrachtungsweise. Somit sehen wir den Sachverhalt von außen, während uns die Perspektive des fahrenden Volkes auf die Verfolgung verschlossen bleibt.

Sichtweise der Gesellschaft

Die Marginalisierung, auf der die Verfolgung des fahrenden Volkes beruht, hatte verschiedene Gründe. Das fahrende Volk ist als eine Randgruppe im Alten Reich einzustufen, denn ihr abweichendes Verhalten führte zur Ablehnung durch die Gesellschaft. Dies begründete sich unter anderem in der Nichtsesshaftigkeit der Gruppe, Abweichungen in der Sprache, dem Aussehen und der Kultur. Die Lebensweise des fahrenden Volkes entsprach aus Sicht der Mehrheitsgesellschaft nicht den Normen und war deshalb unerwünscht. Dabei wurde diese Gruppe häufig auch als kriminell stigmatisiert. Der abgebildete Altdruck zeigt dabei eindrücklich, dass diese Sichtweise auch öffentlich durch Verordnungen verbreitet wurde. Die Angehörigen des fahrenden Volkes galten als unheimliche Fremde, denen keinerlei positive Attribute zugeschrieben wurden.

Reaktionen des fahrenden Volkes

Das fahrende Volk wurde im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation als Randgruppe angesehen und war durch Stigmatisierung und Marginalisierung sehr häufig den Armen zugeordnet. Die Betroffenen konnten dabei in den Städten auf keinerlei Unterstützungsmöglichkeiten hoffen. Sowohl die kirchliche Armenfürsorge als auch die private bzw. auf kommunaler Ebene betriebene Armenfürsorge schloss das fahrende Volk kategorisch aus.

Aufgrund dieser Umstände hat sich das fahrende Volk an ihre Umgebung angepasst. Dazu gehörte, dass sie nur in relativ kleinen Gruppen auftraten, um in der Gesellschaft weniger Aufmerksamkeit zu erregen. Des Weiteren wählten sie ihre Übernachtungsorte nur in schwerzugänglichen Gebieten und in Grenzgebieten, da bei einer bevorstehenden Verfolgung/Vertreibung eine Flucht leichter möglich war.