Armut denken - Armut lenken

Drucke, Handschriften und Objekte erzählen aus der Frühen Neuzeit


Navigation und Suche der Universität Osnabrück


Hauptinhalt

Topinformationen

Topinformationen

Von Gottes Gnaden / Adolph Friedrich, Herzog zu Mecklenburg [...]

[...] und wann solches böse Gesindel sich den Nachjagenden zur Wehre setzen solte, diese freye Macht haben sollen, solches, ohne daran zu freveln, so gut sie können, nieder zu machen, folglich lebendig oder todt ein zu liefern.

Stigmatisierung - Gefahr für Leib und Leben?

In den frühneuzeitlichen Verordnungen war der feststehende Topos der Gefährlichkeit von umherziehenden Bettlern und Vaganten allgegenwärtig. Sie galten als Ursache der Kriminalität und wurden oftmals mit Diebesgesindel mehr oder weniger gleichgesetzt. Durch diese Stigmatisierung entwickelte sich das Feindbild einer bedrohlichen Unterwelt der Gauner, Bettler und Vagabunden, weshalb eigens für sie angefertigte Strafnormen entwickelt wurden. Wie die Realität mit diesem Bild übereinstimmte, ist in der Frühneuzeitforschung umstritten.

Obwohl die Armen oftmals nicht die finanziellen Mittel besaßen, ihr eigenes Überleben zu sichern, hatten sie einen hohen Wert stets zu verteidigen - ihre Ehre. Durch auferlegte Stigmata verlorenen diejenigen Armen, die von den Zeitgenossen als ‚betrügerische Müßiggänger‘ oder ‚Faulpelze‘ bezeichnet wurden, diesen letzten Wert auch noch, und damit ihren guten Namen und ihre Glaubwürdigkeit. Neben diesen sprachlichen Brandmarkungen konnten sich die Stigmata auch auf die leibliche Unversehrtheit der Armen auswirken.

Die Regelungen der herzoglichen Verordnung Adolph Friedrichs III. (1686-1752) geben einen guten Einblick in die Gefahren, die sich durch die Stigmatisierung ergaben. So wurde fremden Bettlern, Vagabunden und ähnlichen Randgruppen der Zutritt zum Herrschaftsgebiet untersagt. Für den Fall, dass sich jene Personen nicht von alleine daran halten würden, sollten zunächst körperliche Strafen angewendet werden. So drohte den fremden Armen, mit der Peitsche gezüchtigt zu werden oder inhaftiert und bei Wasser und Brot für einige Tage eingesperrt zu werden. Der permanente Landesverweis wurde obendrein ausgesprochen.

Bei Wiederholungstätern konnten zudem auch härtere Leibesstrafen angewandt werden. Neben dem Prügeln und Auspeitschen gehörte das Brandmarken oder Abschneiden eines Ohres zur Bestrafungspraxis, um Wiederholungstäter zu kennzeichnen, wie es auch die 1550 erlassene Münsteraner Ordnung vorgab.  Diese permanenten Schandmale wiesen direkt auf den Ehrverlust durch vorherige Vergehen der Bestraften hin.

Diebesbanden und Vagabunden sollten nach der herzoglichen Ordnung Adolph Friedrichs hingegen gleich inhaftiert werden, sofern dies möglich war. Die Ergreifung stand an erster Stelle, auch die Tötung der Fliehenden wurde in Kauf genommen und erlaubt. Es stellt sich die Frage, inwieweit die umherziehenden Bettler und Vagabunden von den für nahezu vogelfrei erklärten anderen Randgruppen unterschieden werden konnten. Aufgrund der schwierigen Abgrenzung entstand eine reelle Gefahr für Leib und Leben von mobilen Armen. Gerechtfertigt wurde die rigorose Bestrafung gegen die fremden Armen und Kriminellen oftmals damit, die einheimischen Armen zu unterstützen und zu beschützen.