Armut denken - Armut lenken

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Streit mit der Obrigkeit

© UB Osnabrück (CKA S 1861 4168-641 2) | B. Mönkediek

Bestrafung durch Staupenschlag. Kupferstich aus Carl von Carlsberg oder das menschliche Elend, 1783.

Salzmanns Gesellschaftskritik wird durch die Figuren und ihr Verhalten ausgedrückt. Die Obrigkeit in Person von Gerichtsdiener und Bürgermeister handelt kalt und herzlos. Beide haben kein Mitgefühl gegenüber den leidenden Frauen. Außerdem sind sie bestechlich. Der Gerichtsdiener ist in erster Linie ein gleichgültiger und skrupelloser Befehlsempfänger:

Gerichtsdiener: „Ich prügle sie und lasse sie laufen, oder schneide ihr die Gurgel ab, wie es die gnädige Obrigkeit verlangt.“

Der Bürgermeister dagegen ist ein fauler und empathieloser Bürokrat. Die Väter der Kinder hat er bisher nicht bestrafen lassen, obwohl sie sich wie die jungen Frauen schuldig gemacht haben:

Carl von Carlsberg: „Aber wer sind denn die Väter zu diesen Kindern?“
Bürgermeister: „Darnach haben Sie nichts zu fragen. Ich weis es auch nicht.“
Carl von Carlsberg: „Sie wissen es also nicht! Also haben Sie sie auch nicht bestraft? Den Verführern lassen Sie also laufen, und die Elende, die das Unglück hatte verführt zu werden, lassen Sie peitschen?“

Im Gespräch konfrontiert Carl von Carlsberg den Bürgermeister mit dem drohenden Schicksal der jungen Frauen. Soziale Ausgrenzung und Verrohung durch die erlittene Brutalität würden sie in die Prostitution treiben. Mütterliche Liebe könnten sie ihren Kindern nicht geben, was wahrscheinlich deren Tod bedeute. Der Bürgermeister beschönigt sein grausames Vorgehen zynisch als Dienst am Gemeinwohl:

Bürgermeister: „Von zwanzig Hurenkindern bleibt kaum eins am Leben. Ist denn das nicht weise, wenn man das Publikum durch gute Anstalten von seinem Unrathe zu säubern sucht?“
Carl von Carlsberg: „Barbarischer Mann! Wäre es nicht noch besser, wenn Sie ein Landesgesetz hätten, das befähle, die Hurenkinder zu ersäufen, wie die jungen Hunde und Katzen?“
Bürgermeister: „Ich hätte nichts dagegen.“

Salzmann plädiert für eine menschenwürdige Behandlung der jungen Mütter. Die Obrigkeit und die Gesetze täten dies nicht, wie Carl von Carlsberg zum Ausdruck bringt:

Carl von Carlsberg: „Mag sie Hure sein, […] sie ist ein Mensch, und ihr Kind ist ein Mensch, ein unschuldiger Mensch, der nie eine Sünde that. Es ist himmelschreiend, wenn ein Mensch den andern so peinigt.“

Die Darstellung Salzmanns ist zwar eine Fiktion. Er hat aber den Anspruch, die Realität abzubilden. Sein Ziel ist es, die Leserschaft aufzuklären, zu erziehen und zum Handeln gegen Ungerechtigkeit zu bewegen. Um den Leser emotional aufzurütteln, arbeitet Salzmann mit besonders zugespitzten und dramatischen Szenen von alltäglichen Erfahrungen seiner Leserschaft.