Armut denken - Armut lenken

Drucke, Handschriften und Objekte erzählen aus der Frühen Neuzeit


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Verwendung der Charaktere

Unbekannt: Ein reicher Mann gibt einem alten Bettler eine Münze in den Hut, im Hintergrund Häuser und ein Triumphbogen, nach 1776. © Herzog August Bibliothek, Graph. Res. E: 42 oben links, (CC BY-SA) https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/, bearbeitet: Bildränder zugeschnitten

Die Figuren des Obersts von Brav und die der drei Armen beruhen nicht auf historischen Persönlichkeiten, sondern wurden von Christian Gotthilf Salzmann (1744-1811) mit Bedacht erschaffen. Dabei verfolgt der Autor die Intention, den Lesern einen möglichst breiten Einblick in die Lebenswelt der Armen zu geben.


So präsentiert der Brief drei Arme mit völlig verschiedenen Lebensgeschichten: Den Sohn eines Grafen, eine Bauerntochter und einen Studenten aus einem mittelständigen Haus. Diese sind auf unterschiedlichen Wegen in die Armut geraten. Salzmann macht dabei deutlich, dass die Charaktere selbst keine Schuld an ihrem Elend tragen. So befindet sich der erste Arme, der Sohn eines Grafen, nur aufgrund der Umstände seiner Geburt in Armut:
Kann ich etwas dazu? […], daß meine Mutter eine Hure war?“ (S.182) – er ist also ein uneheliches Kind und wird deshalb von der Gesellschaft ausgegrenzt.
Die anderen beiden leben in Armut, weil sie in Situationen geraten sind, die ihnen keinen anderen Ausweg ließen.

So starb der Vater der Bauerstochter und hinterließ die Familie mittellos. Aufgrund des fehlenden Einkommens zog sie in die Stadt und musste dort als Hausmädchen für eine Gruppe Studenten in einer heruntergekommenen Wohnung ihren Lebensunterhalt bestreiten.  Sie wurde bald von den jungen Männern verführt. Nach einiger Zeit zog sie sich eine Geschlechtskrankheit zu, die ihr Gesicht entstellte. Dadurch trug sie für alle sichtbar das Zeichen eines unsittlichen Lebenswandels und wurde entlassen. Frauen war es in der Frühen Neuzeit in einer solchen Situation fast unmöglich, eine neue Anstellung zu finden. Der Abstieg in die Armut folgte und vielen von ihnen blieb als Auskommen nur noch die Prostitution. Damit setzten sie sich dem Risiko der obrigkeitlichen Strafverfolgung und der ungewollten Schwangerschaft aus.

Der Student geriet in eine öffentliche Auseinandersetzung mit einem Kommilitonen, welche ihn, nach den Ehrvorstellungen der Zeit, in ein Duell zwang. Bei diesem erschlug er den anderen aus Versehen und musste daraufhin aus der Stadt fliehen. Kurz darauf begegnete er einem Werber und trat, aus Mangel an Alternativen, der Armee bei. In der Schlacht bei Kunersdorf am 12. August 1759 zog er sich dann eine Kriegsverletzung zu, aufgrund welcher er seinen rechten Arm verlor. Nach seiner Entlassung kehrte er heim, nur um zusätzlich herauszufinden, dass seine Vormünder sein Erbe verloren hatten.
Salzmann stellt diese Schicksale hierbei als logische und unabdingbare Folge von Ereignissen dar.
Wenn ich dem sanftmüthigsten Hund auf den Schwanz trete, so beißt er mich in die Wade und zieht sich Stockprügel zu.“ (S.182)
Anhand dieser Fallbeispiele soll der Leser erkennen, dass jeder Mensch – auch unverschuldet – in Not und Armut geraten kann. Gleichzeitig wird dem Leser das Elend der Armen vor Augen geführt. So sind diese über ihr Schicksal sehr verbittert. Der Grafensohn ist es sogar in einem solchem Ausmaß, dass er sich wünscht, als Hund zu leben oder als Kind von der eigenen Mutter umgebracht worden zu sein. Die armen Menschen bereuen zudem ihre Fehler zutiefst. So wird zum Beispiel der Student in seinen Alpträumen von dem Kommilitonen, den er erschlug, verfolgt. Er kann immer noch den letzten Schmerzensschrei seines Gegners hören und ist seitdem seines Lebens nicht mehr froh geworden.


Als Gegenpol zu den Armen dient der Oberst von Brav als Idealbild eines Adligen. Er soll beispielhaft darstellen, wie man sich als Adliger beziehungsweise wohlhabender Bürger gegenüber Armen verhalten soll. So hört er den Dreien aufmerksam zu, urteilt nicht vorschnell und zeigt ihnen gegenüber Mitgefühl und Empathie. Dafür dankt und lobt ihn der Student auch besonders.