Armut denken - Armut lenken

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Faulheit

Pieter van der Heyden, nach Pieter Brueghel (d. Ä.): Trägheit (Acedia), Blatt 2 der Folge „Die sieben Todsünden“, 1558. © ETH-Bibliothek Zürich, Graphische Sammlung / D 5937 / Public Domain Mark 1.0

Macfarlan beschreibt die Faulheit als „eine der gewöhnlichsten Ursachen der Armuth“. In seinen Augen sei der Mensch zwar zur Tätigkeit geboren, vor einer „vorgeschriebenen, anhaltenden, gleichförmigen und zweckmäßigen Arbeit [hätten aber] alle Menschen eine natürliche Abscheu“ (S. 27). Auch der Hang zum „Müßiggang“, wie es Macfarlan beschreibt, sei im Menschen so stark verankert wie kein anderer.

Der Müßiggang, Synonym für Faulheit, galt bereits in der Antike als ‚aller Laster Anfang‘ und wurde seit dem 16. Jahrhundert noch schärfer verurteilt. In unzähligen Liedern, Sprichwörtern und Texten wird vor diesem Zustand und seinen Folgen gewarnt. Man ging sogar so weit, den Begriff mit dem Teufel in Verbindung zu bringen. Der lutherische Prediger Joachim Westphal (gest. 1569) erfand dafür 1563 die Figur des ‚Faulteufels’. Der Müßiggang wurde als Ursprung aller menschlichen Mängel gesehen. Diesen Drang galt es zu überwinden. Als angemessenes Mittel dafür wurde die Arbeit gesehen. Wer allerdings erst einmal von der Gesellschaft als ‚Müßiggänger’ oder ,Faulpelz’ bezeichnet wurde, hatte es nicht leicht, dieses Stigma wieder loszuwerden.

Neubewertung der Arbeit

Im Übergang vom späten Mittelalter zur Frühen Neuzeit und unter dem Einfluss der Reformation fand eine deutliche Neubewertung der Arbeit statt. Das Verhältnis von Armut und Arbeit wurde neu definiert. Arbeit und Armut wurden zu Gegensätzen, die einander grundsätzlich ausschlossen. Wer körperlich in der Lage war, zu arbeiten, war auch dazu verpflichtet und hatte somit keinen Anspruch auf Almosen oder andere Hilfsmittel. Arbeit wurde nicht um ihrer selbst Willen geschätzt, sondern weil sie als Dienst an Gott gesehen wurde. Zudem sicherte Arbeit den Lebensunterhalt und war somit das wichtigste Mittel zur Bekämpfung von Armut. Dementsprechend galt die ,Arbeitsunwilligkeit’ als schwerwiegendste Ursache für Armut.

Baillie, William: Kopie nach Rembrandt van Rijn: Bettler erhalten Almosen an einer Haustür, 1740-1810. © ETH-Bibliothek Zürich, Graphische Sammlung / D 11184 / Public Domain Mark 1.0

 

Arbeitslosigkeit

Neben der neu bewerteten Stellung der Arbeit hatte auch die systematische Bekämpfung des Bettlertums große Auswirkungen auf die Arbeitslosen oder Arbeitssuchenden der Gesellschaft. Nur wer sich an die strengen Verhaltensgebote der Obrigkeit hielt, konnte auf Unterstützung hoffen. Missachtet wurde dabei, dass viele Menschen durchaus Willens waren zu arbeiten, aber aus unterschiedlichen Gründen keine Arbeit fanden oder ausüben konnten. 

Nicht zu arbeiten wurde nicht nur geächtet, es wurde sogar als Sicherheitsrisiko angesehen, da es vermeintlich zu Kriminalität führte.

 

Tagelöhner

„Andre, obgleich nicht so stinkend faul, scheinen […] entschlossen zu seyn, jeden Tag nicht mehr zu arbeiten, als für den Unterhalt dieses Tages nöthig ist.“ (S. 28)

Als eine weitere Ursache für Armut galt das ungeregelte und flatterhafte In-den-Tag-hinein-Leben. Wer nur so arbeitete, dass Nahrung und Unterkunft für den Tag gesichert waren, aber keinerlei Rücklagen bildete, war im Krankheitsfall oder bei anderen Rückschlägen (Teuerungen) schnell mittellos. Dieses Schicksal teilten neben den Tagelöhnern auch kleinere Handwerker, Mägde und Knechte.

Die Sieben Todsünden:

Die Idee der Sieben Todsünden entstand bereits im mönchischen Leben um 500 n. Chr. Diese sieben Kategorien sollten die negativen Archetypen (Hochmut, Habgier, Wollust, Zorn, Völlerei, Neid, Trägheit) des menschlichen Charakters symbolisieren. Auch die Trägheit (lat. Acedia)gehörte dazu. Ihrem frühchristlichen Ursprung nach wurde sie als „Mönchskrankheit“ bezeichnet und bezog sich auf die Vernachlässigung religiöser Pflichten als Folge von Gleichgültigkeit und zunehmend trägem Verhalten. In der Frühen Neuzeit verlor die Trägheit den christlichen Bezug und wurde vielmehr auf Arbeit und Fleiß bezogen.

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